Wagner-Rezeption

Zusammenfassung

Die Wagner-Rezeption in der DDR bietet ein aufschlussreiches Beispiel für die Schwierigkeiten, die mit der sozialistischen Aneignung des deutschen Kulturerbes verbunden waren. Als Sohn Leipzigs, dessen Konzepte der revolutionären Kunst den Geist des Dresdner Aufstands von 1848 widerspiegelten, erfüllte Wagner in mancherlei Hinsicht die Voraussetzungen für die Rezeption als ein vorbildlicher ‚sozialistischer Komponist‘. Doch seine spätere reaktionäre Politik und sein Eintreten für den Schopenhauer’schen Pessimismus standen im Widerspruch zu diesem Image, ebenso wie die bedeutende Rolle, die seine Opern im ‚Dritten Reich‘ spielten. In den ersten Jahren der DDR wurden diese Widersprüche meist übersehen. Die Richard-Wagner-Festwochen in Dessau boten traditionell ausgerichtete Inszenierungen aller Werke Wagners, und die SED sah in der Wagner-Pflege der DDR einen Beweis ihrer Verpflichtung für die Bewahrung der Einheit der deutschen Kultur.
Gegen Ende der 1950er Jahre, als die Frage der deutschen Einheit in den Hintergrund trat, wurde der Platz Wagners im sozialistischen Kanon in Frage gestellt. Seine ideologische Relevanz wurde 1958 in der Zeitschrift Theater der Zeit und noch einmal im Zusammenhang mit seinem 150. Geburtstag im Jahr 1963 diskutiert. Georg Knepler schlug vor, Wagners Werke als Spiegelbild der bürgerlichen Existenz des 19. Jahrhunderts mit all ihren Widersprüchen zu betrachten. Diese Interpretation reichte aber nicht aus, um die SED von Wagners Bedeutung für die DDR zu überzeugen, und im Gegensatz zu Komponisten wie Händel und Bach wurden seine großen Jubiläen 1963 und 1983 nicht offiziell gefeiert.
Von den 1960er Jahren an boten Wagners Opern einen fruchtbaren Boden für kreative Experimente von Regisseur:innen wie Joachim Herz, Harry Kupfer und Ruth Berghaus. Ausgehend von den Theatertraditionen Felsensteins und Brechts untersuchte diese Gruppe Opern unter verschiedenen sozialen und marxistischen Gesichtspunkten und schuf Inszenierungen, die nicht nur beim Publikum in der DDR, sondern auch im Ausland Anklang fanden.

 

Wagner als gesamtdeutscher Komponist

In den 1950er Jahren war Wagner in der DDR sehr präsent. Seine Opern waren die meistgespielten aller Komponisten auf ostdeutschen Bühnen.1Für Statistiken über Wagner-Aufführungen in der DDR siehe Peter Kupfer: Ehrt eure Deutschen Meister: Reproducing Wagner in the GDR, in: Kyle Frackman und Larson Powell (Hg.): Classical Music in the German Democratic Republic: Production and Reception, Rochester 2015, 75–96. Inszenierungen von Die Meistersinger von Nürnberg eröffneten 1955 das wiederaufgebaute Opernhaus Unter den Linden in Berlin und 1960 die neue Leipziger Oper. Die DDR schuf mit den Richard-Wagner-Festwochen einen eigenen Ersatz für die Bayreuther Festspiele. Die Festwochen, die 1953 im Landestheater Dessau unter der Leitung Willy Bodensteins ins Leben gerufen worden waren, hatten bis 1958 bereits zwei komplette Aufführungen von Wagners Opern vom Fliegenden Holländer bis zur Götterdämmerung sowie je eine Inszenierung von Rienzi und Parsifal auf die Bühne gebracht.2Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 98. Wie bereits erwähnt, gab es durchaus Gründe, Wagner für den neuen sozialistischen ostdeutschen Staat in Anspruch zu nehmen. Sowohl seine Geburtsstadt Leipzig als auch Dresden, wo er vom revolutionären Geist des Jahres 1848 inspiriert worden war, lagen in der DDR, und Wagners revolutionäre Ideale waren zuvor von linken Denkern von George Bernard Shaw bis Anatoli Lunatscharski anerkannt worden.3Vgl. George Bernard Shaw: The Perfect Wagnerite: A Commentary on the Nibelung’s Ring, London 1898; und Anatolii Lunacharsky: On Literature and Art, Moskau 1933, 340–354. In den Anfangsjahren der DDR waren es jedoch eher Wagners nationalistische als sozialistische Tendenzen, die seine offizielle Rezeption förderten, wobei insbesondere die Meistersinger wegen ihrer Fähigkeit, einen Weg zu einem vereinten sozialistischen Deutschland zu erhellen, begrüßt wurden. Im Fall der Einweihung des Opernhauses Unter den Linden erklärte das Politbüro, dass die Meistersinger ausgewählt wurden – anstelle einer Inszenierung von Beethovens Fidelio, die bereits geprobt wurde, „weil sie eine große Volksoper ist und einen Beitrag auf dem Gebiet der Kunst für die Einheit Deutschlands darstellt“.4Rechenschaftsbericht der Parteiorganisation der SED der Deutschen Staatsoper über die Periode März bis Dezember 1955, 2, Landesarchiv Berlin, C Rep. 904-093/1.

Diese nationalistische Agenda fand einen deutlichen Ausdruck in den Richard-Wagner-Festwochen, die von Politikern nicht nur als Symbol des staatlichen Engagements für die „Einheit der deutschen Kultur“ sondern auch als Symbol „des ganzen Deutschland“ gefeiert wurden.5Johannes R. Becher in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1954, 4. Das Festival verstand sich als eine volksnahe und „deutsche“ Alternative zu der Exklusivität und zum internationalen Kosmopolitismus von Bayreuth. Bodenstein erklärte sein Ziel: „das Werk Richard Wagners in neuer Gestalt, befreit von Mißdeutungen und Verfälschungen des Faschismus, einem neuen Publikum, den Arbeitern und Bauern und den Angehörigen der schaffenden Intelligenz unserer Republik, zu vermitteln“.6Willy Bodenstein in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1954, 8. Er sorgte für die Zugänglichkeit des Festivals, indem er bis zu 50 % der Karten für lokale Arbeiter in Dessau reservierte.7Dieter Kranz: Festspielhaus oder sozialistisches Theater?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 16–20, 19. Seine Strategie, Wagner von seinen Assoziationen mit dem ‚Dritten Reich‘ zu befreien, bestand indessen weder darin, Wagners Werke zu modernisieren, noch sie von angehäuften Traditionsschichten zu befreien, um ewige Universalmythen freizulegen, wie es Wieland Wagner in Bayreuth getan hatte. Bodenstein hielt es vielmehr lediglich für nötig, „den Willen und das Wollen des Meisters [zu] achten“.8Willy Bodenstein: Richard Wagners erste revolutionäre Kunsttat, in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1953, 37. Dieser Ansatz bestand im Wesentlichen darin, den naturalistischen Realismus der Vorkriegsinszenierungen beizubehalten.9Über den Produktionsstil in Dessau siehe Nora Eckert: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001, 193–198; Eckart Kröplin: Aufhaltsame Ankunft und ahnungsvoller Abschied: Der Ring in der DDR, in: wagnerspectrum 2/1 (2006), 63–110, 76–80; und Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 96–101.

Dieser konservative Ansatz war kurzfristig nützlich, um Diskussionen über die ideologischen Herausforderungen von Wagners Opern zu bestreiten, von denen einige leichter mit der Ästhetik des Sozialistischen Realismus in Einklang zu bringen waren als andere. Die Meistersinger waren unproblematisch, da sie mehr auf der Geschichte als auf dem Mythos beruhten und die Eingliederung des Individuums (Walther) in das Kollektiv des deutschen Volkes (Handwerker und ihre Lehrlinge) darstellten. In ähnlicher Weise könnte der Ring-Zyklus als eine scharfe, wenn auch fehlerhafte Kapitalismuskritik interpretiert werden. Viel schwieriger waren der offenkundige Irrationalismus und der Schopenhauer’sche Pessimismus von Tristan und Isolde und Parsifal. Der Mangel an theatralischen Neuerungen in Dessau ermöglichte es, den Fokus auf die Musik zu lenken und die Auseinandersetzung mit solchen ideologischen Problemen zu vermeiden. Walther Siegmund-Schultze wies im Programmbuch der Festwochen 1955 insbesondere auf die Bedeutung der Musik hin:

„In Wagners Musikdramen ist die Musik das Wichtigste. Sie gibt den oft zweifelhaften Texten die realistische Aussage, die gesellschaftliche Wirkung und die positive Zielsetzung. Es ist falsch, allzuviel Philosophisches aus den Wagnerschen Werken herausdeuten oder in sie hineinlegen zu wollen.“10Walther Siegmund-Schultze: Richard Wagners Musik in ihrer Bedeutung für unsere Zeit, in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1955, zitiert in: Nora Eckert: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001, 194 f.

Debatte über Wagners Platz im sozialistischen Kanon

Siegmund-Schultzes Empfehlung, die Wagners eigener Auffassung von seinen Opern als Gesamtkunstwerken zuwiderlief, spiegelte die Tatsache, dass die ostdeutschen Opernhäuser mit Ausnahme der Komischen Oper, wo Wagner gemieden wurde, noch keine ausgeprägte ästhetische Identität entwickelt hatten. Schwierige dramatische Inhalte wurden jedoch zunehmend unübersehbar, als der Einfluss von Neu-Bayreuth auf die Arbeit der ostdeutschen Bühnenbildner zu greifen begann. Wolf Hocheim, der 1956 zum Dessauer Team stieß, brachte abstrakte stilisierte Bühnenbilder in Bodensteins ansonsten noch konservative Inszenierungen ein; und Heinz Pfeiffenberger brachte „Bayreuther Versuche“ an die Deutsche Staatsoper.11Zur Staatsoper siehe Rechenschaftsbericht der Betriebsparteiorganisation der Deutschen Staatsoper 1956/57, 4, Landesarchiv Berlin, C Rep. 904-093/2. Dieser neue Trend erstreckte sich nicht auf die Regiepraxis, die traditionsverbunden blieb. Dieter Kranz beschrieb das Phänomen in einer Rezension der Dessauer Festwoche 1958 und beklagte, dass Regisseure, statt „eine wissenschaftlich begründete Konzeption“ für ideologisch anspruchsvolle Werke wie Lohengrin, den Ring und Tristan und Isolde zu entwickeln, auf „stilisierten Dekorationen […] allein aus dem Grund, die Werke dem sogenannten ‚modernen Kunstempfinden‘ anzupassen“, zurückgriffen.12Dieter Kranz: Festspielhaus oder sozialistisches Theater?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 16–20, 17. Kranz war mit seinen Bedenken nicht allein. Seine Rezension, die in der Juli-Ausgabe 1958 von Theater der Zeit veröffentlicht wurde, markierte den Anfang einer hitzigen Debatte in der Zeitschrift über den Platz Wagners in der DDR.

Dies war nicht das erste Mal, dass Wagners Rolle in der sozialistischen Gesellschaft in Frage gestellt wurde. In einem Wagner-Kolloquium der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin (Ost) 1952 beklagte Hanns Eisler, dass Wagners „Musik das Verderben der nationalen Kunst bedeutet und den schlechten Geschmack fördert“, während Bertolt Brecht forderte, dass Wagners Opern so wenig wie möglich gespielt werden sollten, und erklärte: „Wir müssen das Nationalbewußtsein sehr stark auf eine andere Weise entwickeln, bis man endlich zu Wagner kommen kann.“13Das Kolloquium, das am 22. April 1952 stattfand und den Titel Selbstverständigung zu künstlerischen Fragen trug, ging von einem Vortrag Eislers aus mit dem Titel: „Was kann der Opernkomponist von Richard Wagner lernen?“. Der Vortrag und die anschließende Diskussion sind veröffentlicht in: Günter Mayer (Hg.): Hanns Eisler: Musik und Politik. Schriften 1948–1962 (= Eisler GW III/2), Leipzig 1982, 240, 242. In den frühen 1950er Jahren war das Interesse an solchen Meinungen jenseits der hochherrschaftlichen Mauern der Akademie gering.

Als die Möglichkeit eines vereinten Deutschlands ab 1958 immer unwahrscheinlicher wurde, nahm Wagners propagandistischer Wert ab. Außerdem bot die Abkehr von der stalinistischen Ästhetik nach Chruschtschows Geheimrede 1956 eine seltene Gelegenheit für eine offenere Diskussion über die Rolle des Deutschen in der sozialistischen Kultur. Dies hatte bedeutende Auswirkungen auf die Wagner-Rezeption. Wie der Leitartikel in der Oktoberausgabe von Theater der Zeit verkündete: „Richard Wagner? Nichts ist klar, wir stehen erst am Beginn einer neuen, heutigen Wertung!“14Wagner und kein Ende! Wagner – erst der Anfang!, in: Theater der Zeit 13/10 (1958), 36.

Das Streitgespräch in Theater der Zeit wurde durch zwei Provokationen angeheizt: einen Artikel von Heinz Bär mit dem Titel Wahllose Wagnerei?, der neben der Dessau-Rezension von Kranz in der Juli-Ausgabe erschien, und eine bissige Rezension von Erika Wilde über die neue Lohengrin-Inszenierung an der Staatsoper, die in der August-Ausgabe veröffentlicht wurde.15Heinz Bär: Wahllose Wagnerei?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 20–22, Auszug wiederabgedruckt in Elimar Schubbe (Hg.): Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED [Bd. 1: 1946–1970], Stuttgart 1972, 529 f.; und Erika Wilde: Der mystische Gral deutscher Kunst: Lohengrin von Richard Wagner in der Staatsoper Berlin, in: Theater der Zeit 13/8 (1958), 34–37. Für eine Diskussion über die Lohengrin-Produktion und mehr über die Debatte siehe Jukka von Boehm: Lohengrin als Feindbild der ‚progressiven‘ sozialistischen Kunst, in: wagnerspectrum 10/1 (2014), 163–194. Siehe auch u. a. die Verf.: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 72–79; Peter Kupfer: Ehrt eure Deutschen Meister: Reproducing Wagner in the GDR: in Kyle Frackman und Larson Powell (Hg.): Classical Music in the German Democratic Republic: Production and Reception, Rochester 2015, 75–96, 81–82; Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 102 ff. Beiden Artikeln war die Empfehlung gemeinsam, Wagners zweifelhaftere Opern ganz aus dem sozialistischen Kanon zu streichen. Wilde verurteilte die „verworrene Mystik, Märchensymbolik ohne menschlich tiefe Bedeutung“ in Lohengrin.16Erika Wilde: Der mystische Gral deutscher Kunst. Lohengrin von Richard Wagner in der Staatsoper Berlin, in: Theater der Zeit 13/8 (1958), 34–37, 36. Bär äußerte ähnliche Bedenken und stellte fest, dass „die Lohengrin-Forderung ‚Nie sollst du mich befragen‘ das genaue Gegenteil dialektischer Welterforschung ist“. Er lehnte auch Tristan und Isolde, Parsifal und den Ring-Zyklus ab. Im Falle des letzteren behauptete er, dass er nicht – wie die gängige sozialistische Auffassung – die Übel des Kapitalismus beleuchte, sondern lediglich eine fatalistische Weltanschauung zum Ausdruck bringe. Bär rief das Schreckgespenst des Faschismus auf den Plan: „der unkontrollierte Rausch, die irreale Enthusiasmierung, die mystische Verzerrung der Wirklichkeit, die Hingabe an das Walten der Vorsehung“ in seinen Opern sei, so die umstrittene These, Grund dafür, dass Wagner der Lieblingskomponist Hitlers gewesen sei.17Heinz Bär: Wahllose Wagnerei?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 20–22, 22.

In den folgenden Ausgaben der Zeitschrift erschienen Artikel und Leserbriefe, in denen Wagner verteidigt wurde. Der Kritiker Ernst Krause zum Beispiel verurteilte Wildes Ablehnung Lohengrins als „ideologische Holzhammerei“,18Ernst Krause: So Nicht!, in: Theater der Zeit 13/10 (1958), 37–39, 38. und der Dresdner Gesangsprofessor Eduard Plate riet, dass diejenigen, die wie Wilde mit Wagner „fertig“ seien, ihn einfach meiden sollten.19Eduard Plate: Wagner: Wunder, Wirklichkeitsentzogen. Eine Zuschrift aus Dresden, in: Theater der Zeit 13/12 (1958), 13 f., 14. Wagners Unterstützer setzten keine ideologischen Gegenargumente für den Verbleib von Lohengrin im sozialistischen Kanon ein, sondern beriefen sich allein auf die Popularität der Oper als Beweis für ihre andauernde Bedeutung. Typisch war Krauses Beschreibung der langen Schlange an der Kasse der Deutschen Staatsoper, die aus „unseren werktätigen Opernfreunden, viel Studenten und Jugend“ bestand.20Ernst Krause: So Nicht!, in: Theater der Zeit 13/10 (1958), 37–39, 38. Die Theater der Zeit-Redaktion begegnete dieser Argumentation stillschweigend, indem sie zwei Leserbriefe veröffentlichte, die zeigten, dass Popularität kein verlässlicher Faktor für den Wert eines Werkes war, sondern vielmehr auf ein falsches Bewusstsein oder, schlimmer noch, auf die Massenbegeisterung des Faschismus hinweisen konnte. Beide Briefschreiber erklärten sich als begeisterte Wagner-Fans und beide denunzierten Wilde in einer Sprache, die deutliche Anklänge an das Dritte Reich aufwies: Der eine warf ihr vor, ihr „Deutschtum“ zu verleugnen und „vielleicht gar keine Deutsche“ zu sein,21G. Psylander: Einer der ‚vergaß‘ seine Anschrift exakt anzugeben, in: Theater der Zeit 13/10, 36 f., 36. und der andere, der sich selbst als „alter Berliner“ bezeichnete, warf ihr vor, ästhetische Urteile zu besitzen, die eine „spezifisch jüdisch geifernde Art“ kennzeichneten.22A. Gerold: Ein Schmutzfink aus dem Hinterhalt, in: Theater der Zeit 13/11 (1958), 22. Die Bedeutung dieser ungewöhnlichen öffentlichen Demonstration, dass Deutschlands problematische Vergangenheit nicht etwas war, das man der BRD überlassen konnte, wurde von dem Operettenkomponisten Herbert Kawan herausgearbeitet. In einem Interview, das in der Dezember-Ausgabe veröffentlicht wurde, stellte er die Frage: „Müssen wir unsere Jugend tatsächlich erst im Theater berauschen und dann vom Leben umerziehen lassen? Sollte es nicht eher umgekehrt sein?“23Herbert Kawan und Alfred Paul: Gespräch mit einem Komponisten. Aufgezeichnet nach einer Tonbandaufnahme, in: Theater der Zeit 13/12 (1958), 17. Paul Dessau war noch direkter. Er erklärte, dass es nicht um Wagners Genie gehe, sondern um die Frage, ob dieses Genie eine politische Bedeutung für die DDR habe. Dessau entschied, dass dies nicht der Fall sei, denn: „Das Werk Wagners ist mit Rauschgiften angefüllt.“24Paul Dessau: Musik der Gründerjahre. Ein Interview, in: Theater der Zeit 13/12 (1958), 19 f. Die Debatte ging im Januar 1959 zu Ende, ohne einen klaren Weg zu weisen. Der Herausgeber der Zeitschrift, Fritz Erpenbeck, räumte ein, dass Wagners Werk ein wichtiger Teil des deutschen Erbes bleibe, und stellte lediglich fest: „Es ist zu pflegen, kritisch zu pflegen selbstverständlich.“25Fritz Erpenbeck: Statt eines Schlußworts, in: Theater der Zeit 14/1 (1959), 13–16, 15.

Das bevorstehende Jubiläum von Wagners 150. Geburtstag im Jahr 1963 bot die Gelegenheit, ein ideologisches Modell für eine solche kritische Pflege zu formulieren. 1961 beauftragte das Ministerium für Kultur das Zentralinstitut für Musikforschung des VDK mit der Einsetzung eines Wagner-Komitees, das einen Standpunkt für die offiziellen Feierlichkeiten entwickeln sollte. Das Komitee repräsentierte das Spektrum der Wagner-Auffassungen innerhalb des Staates. Mitglieder waren u. a. Georg Knepler, Ernst Hermann Meyer, Harry Goldschmidt und Nathan Notowicz vom VDK, die Opernregisseure Joachim Herz und Harry Kupfer, der Komponist Hanns Eisler, der Literaturwissenschaftler Hans Mayer, der Kritiker Werner Wolf sowie Hans-Georg Uszkoreit und Hans Pischner vom Ministerium für Kultur. Die Diskussionen bei den Treffen spiegelten oft die Polaritäten des Theater der Zeit-Streitgesprächs wider.26Eine Reihe weiterer Mitglieder wurde im Laufe der Zeit kooptiert. Die Protokolle der Ausschusssitzungen befinden sich in der Akte im Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Bestand: Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR, Nr. 589. Weitere Dokumente befinden sich in den Bundesarchiv-Akten DR 1/73 und DR 1/74 sowie in der Akte der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) DY 30/85142. Knepler, der mit der Ausarbeitung der offiziellen Erklärung über den Komponisten beauftragt war, lenkte die Diskussion jedoch auf einen Mittelweg, der den Anspruch erhob, alle Opern Wagners im sozialistischen Kanon zu belassen. Ein entscheidender Vorläufer von Kneplers Kompromiss war die Interpretation, die Hans Mayer 1953 in seinem Artikel in Sinn und Form dargelegt hatte. Darin forderte Mayer, die Auswirkungen von Wagners frühen revolutionären Idealen auf seine Opern zu beleuchten und neu zu bewerten. Er meinte, die rechte Instrumentalisierung Wagners sei durch die Unterdrückung dieser Ideale durch Cosima Wagner und den Bayreuther Kreis ermöglicht worden. Mayer wandte sich aber auch gegen die in der DDR gängige Praxis, Wagners Werk in zwei unterschiedliche Perioden einzuteilen und lehnte die Vorstellung von einem vor- und nachrevolutionären Wagner als Kunstgriff ab. Es gebe in den späten Opern nichts, was man nicht auch in den früheren Opern finden könne: der Parsifal stellte nicht nur den Tiefpunkt eines Abstiegs in die Verzweiflung dar, sondern auch das fortbestehende Erbe von Wagners revolutionärem Idealismus, eine Gegenüberstellung, die die Widersprüche des „bürgerlichen Denkens in Deutschland zwischen 1830 und 1833“ verkörpert.27Hans Mayer: Richard Wagners geistige Entwicklung, in: Sinn und Form 5/3–4 (1953), 111–162, 21. Siehe auch Hans Mayer: Parsifal, Verklärung und Tod (1959), in ders.: Richard Wagner: Mitwelt und Nachwelt, Stuttgart 1978, 174. Was das Wagner-Komitee anbelangt, so war Mayer ein ausgesprochen ablehnendes Mitglied. Er schrieb 1962 an Harry Goldschmidt: „Ich habe gar nichts gegen ein offizielles Dokument in Sachen Wagner, möchte aber selbst so wenig wie möglich damit zu tun haben, weshalb mir auch der Gedanke, wieder einmal einem dieser Komitees angehören zu müssen, worin ich mit meinem Namen nur als Statist fungieren soll, während alberne kleine und ahnungslose Sekretäre alles festlegen, einiges Unbehagen bereitet. Ich wäre also gar nicht böse, wenn das Ministerium mich bei der Nominierung des Komitees überginge.“ Hans Mayer: Brief an Harry Goldschmidt vom 15. 3. 1962, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Bestand: Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR, Nr. 404.

Knepler führte diese Perspektive in der Stellungnahme von 1963 weiter aus. Er bezeichnete Wagners Werk als einen „Spiegel der deutschen Intelligenz des vorigen Jahrhunderts mit ihren hochfliegenden Ideen und Hoffnungen, doch auch mit ihrem tiefsitzenden Pessimismus und ihrer Unfähigkeit, die Entwicklungstendenzen der Zeit zu begreifen“, und erkannte die Wirkung des Wagner’schen Musikdramas in der Tatsache, „dass ihm Konflikte zugrunde liegen, die auch in der Bürgerwelt von heute ungelöst sind“.28[Georg Knepler:] Zur Wagner-Ehrung 1963. Erklärung des Richard-Wagner-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik, in Deutscher Kulturbund (Hg.): Richard Wagner 1813–1883, Berlin 1963, 5–9, 6. Diese Interpretation wurde in Kneplers „Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts“ weiter ausgeführt. Siehe Georg Knepler: Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1961, 843–896. Diese Interpretation machte die fortdauernde Bedeutung von Wagners Opern für eine sozialistische Gesellschaft deutlich, versuchte aber auch nicht, Wagners ideologische Schwächen zu überspielen. Diese Werke würden nicht den Weg zu einer sozialistischen Utopie beleuchten, sondern „Schattenseiten der Bürgerwelt, Irrtümer des bürgerlichen Menschen“ würden „zu ‚ewigen‘ Kategorien ‚des Menschen‘ verabsolutiert“.29[Georg Knepler:] Zur Wagner-Ehrung 1963. Erklärung des Richard-Wagner-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik, in: Deutscher Kulturbund (Hg.): Richard Wagner 1813–1883, Berlin 1963, 5–9, 8. Letztendlich kam das Komitee zu dem Schluss, dass der Stellenwert Wagners in der DDR nicht mit dem von Bach, Händel oder Beethoven gleichzusetzen sei.30[Georg Knepler:] Zur Wagner-Ehrung 1963. Erklärung des Richard-Wagner-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik, in: Deutscher Kulturbund (Hg.): Richard Wagner 1813–1883, Berlin 1963, 5–9, 8. Dieses Urteil veranlasste das Zentralkomitee der SED, die Bedeutung der Jubiläumsfeierlichkeiten 1963 zu reduzieren. Eine geplante Festwoche wurde durch einen einzigen Festakt und ein Kolloquium ersetzt, und statt eines Regierungsvertreters wurde ein Musikwissenschaftler des Wagner-Komitees gebeten, die Festrede zu halten.31Hans-Georg Uszkoreit: Brief an Kurt Bork vom 15. 2. 1963, Bundesarchiv, DR 1/74. In den folgenden Jahren wurde Wagner in die zweite Reihe der sozialistischen Komponisten verwiesen. Die Dessauer Festspiele kamen nach 1963 zum Stillstand, die Zahl der Aufführungen seiner Werke auf anderen Bühnen ging ebenfalls zurück, und es wurden keine weiteren Versuche unternommen, seiner offiziell zu gedenken: Auch der 100. Todestag im Jahr 1983 verlief ohne größeres Aufsehen.32Das Festival, das 1964 nicht stattfand, wurde 1965 ein letztes Mal mit nur einer einzigen Aufführung (des Ring-Zyklus) durchgeführt. Siehe Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 101. Über die Verringerung der Zahl der Aufführungen siehe Peter Kupfer: Ehrt eure Deutschen Meister: Reproducing Wagner in the GDR, in: Kyle Frackman und Larson Powell (Hg.): Classical Music in the German Democratic Republic: Production and Reception, Rochester 2015, 75–96. Eine wichtige Auswirkung hatte auch der Bau der Berliner Mauer. Die Abwanderung westlicher Mitarbeiter danach machte es erforderlich, seine Werke aus der Spielzeit 1961/62 der Deutschen Staatsoper zu streichen. Siehe Rechenschaftsbericht der SED-Grundorganisation der Deutschen Staatsoper, 21. 5. 1962, Landesarchiv Berlin, C Rep. 904-093/3.

Wagner auf der Bühne neu gedacht

In dem Maße, in dem Wagners offizielles Profil schwand, begann auf den ostdeutschen Bühnen das zu entstehen, was bei seiner Rezeption in der DDR bisher fehlte: innovative Inszenierungen seiner Werke in der Tradition des linken Theaters. Für eine neue Generation der Opernregie, die von Walter Felsenstein und Bertolt Brecht geschult worden war und die in den 1960er Jahren auf den Plan trat, boten die Bereiche des Wagner’schen Musiktheaters, die sich für die Regierung als ‚vermintes Terrain‘ dargestellt hatten, ein fruchtbares Feld für kreative Experimente. Regisseur:innen wie Joachim Herz, Harry Kupfer und Ruth Berghaus bauten in unterschiedlicher Weise auf den Traditionen Felsensteins und Brechts auf und untersuchten die Fähigkeit von Wagners Opern, Gesellschaftskritik zu üben. Einige dieser Interpretationen waren mit dem hegemonialen Diskurs der DDR vereinbar, andere weniger. Alle waren nicht nur für das Publikum in der DDR, sondern auch im Westen von Bedeutung.

Der erste, der eine linke Perspektive auf Wagner einbrachte, war Joachim Herz. Er war von 1959 bis 1976 Operndirektor der Oper Leipzig. In dieser Zeit zeichnete er 1960 für die Eröffnungsinszenierung der Meistersinger verantwortlich, 1965 für die Inszenierung des Lohengrin und von 1973 bis 1976 inszenierte er einen Ring-Zyklus, der sich schnell als die entscheidende ostdeutsche Lesart der Tetralogie etablierte. Außerdem inszenierte er 1962 den Fliegenden Holländer an der Komischen Oper – die erste Wagner-Oper, die dort aufgeführt wurde. Diese Inszenierung, die er 1963 nach Moskau brachte, wurde 1964 zu einem DEFA-Spielfilm umgestaltet. Herz war in den 1950er Jahren Schüler und Assistent Walter Felsensteins an der Komischen Oper und wurde stark von dessen theatralischem Realismus beeinflusst, ein Ansatz, der darin bestand, sich nicht der Autorität des Operntextes zu unterwerfen, sondern den Text für das Publikum kohärent zu machen. Im Fall Wagners bedeutete dies, Kneplers Überzeugung zu verwirklichen, dass Wagners Opern nur in ihrem sozio-historischen Kontext verstanden werden können. Manchmal bedeutete es auch, über die Operntexte hinauszugehen, um Lösungen für die ihnen zugrundeliegenden Widersprüche zu finden.

Im Mittelpunkt des Holländer-Films von 1964 etwa steht Senta und nicht der Holländer, welcher nur ein Hirngespinst Sentas ist. Der Film beginnt damit, dass sie die Legende vom Holländer liest, und während sie sein Porträt betrachtet, träumt sie ihn zum Leben. Während sie den Seeleuten im Hafen bei der Arbeit zusieht, verfällt sie in einen Tagtraum, in dem Daland dem Holländer auf dem Meer begegnet. Und später, als sie zu Hause am Kamin sitzt, träumt sie von einer Liebesbeziehung mit ihm. Diese Phantasiewelten stehen in krassem Gegensatz zu ihrem klaustrophobischen Alltag als Frau in der kleinbürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft der 1840er Jahre. Ihr Vater und ihr Kindermädchen beobachten sie auf Schritt und Tritt, und ihr Haus mit seinem dunklen Biedermeierdekor ist die physische Manifestation ihres sozialen Gefängnisses.

Der Wechsel zwischen Realität und Traum im Film wird durch den Wechsel vom Vollbild- zum Breitbildformat und den Wechsel von den dunklen Innenräumen des Hauses in die wilde Außenwelt markiert, letztere eine Welt aus brennenden Seelandschaften und gotischen Ruinen im Geiste Caspar David Friedrichs. Diese Anderswelt stellt jedoch weder Zuflucht noch Freiheit dar. Sentas soziale Beschränkungen sind keineswegs verschwunden, sondern haben lediglich einen extremeren Ausdruck gefunden, der sich zu einer Art expressionistischem Horror steigert. Doch diese Träume zeigen auch neue Möglichkeiten auf. Der Film endet nicht mit dem Tod Sentas. Stattdessen erwacht sie aus ihrem Traum und wird auf eine Art und Weise, die an den utopischen Impuls erinnert, den Ernst Bloch in Tristan und Isolde und Parsifal erkannt hat,33Ernst Bloch: Geist der Utopie, München und Leipzig 1918, 141, 149. dazu inspiriert, sich aus ihren bürgerlichen Zwängen zu befreien.34Zu den Horrorkonnotationen des Films siehe Joy H. Calico: Wagner in East Germany: Joachim Herz’s Der fliegende Holländer (1964), in: Jeongwon Joe und Sander K. Gilman (Hg.): Wagner and Cinema, Bloomington 2010, 294–311, und Lydia Goehr: Undoing the Discourse of Fate: The Case of Der fliegende Holländer, in: Opera Quarterly 21 (2005), 430–451, 448. Für weitere Diskussionen über den Film siehe Patrick Carnegy: Wagner and the Art of the Theatre, New Haven 2006, 323–329, und Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 84 f. Mit dem Bild von Daland verlässt sie die Enge ihres dunklen Biedermeierhauses und geht am Strand entlang in den Sonnenschein hinaus.

Joachim Herz: Der fliegende Holländer (DEFA 1964) – film still

Joachim Herz: Der fliegende Holländer (DEFA 1964) – film still

Herz verankerte auch seine Inszenierung des Ring-Zyklus in der Welt des 19. Jahrhunderts, in der er komponiert wurde. Wie Patrice Chéreau, dessen Ring-Zyklus 1976 in Bayreuth begann, als der Leipziger von Herz zu Ende ging, verstand Herz die Tetralogie weniger als ein System zeitloser Symbole, als vielmehr als ein Netzwerk von Zeichen des 19. Jahrhunderts. Chéreau interpretierte diese Zeichen durch eine Vielzahl von Visualisierungen, welche er dem historischen und zeitgenössischen Realismus der märchenhaften Elemente von Wagners Original gegenüberstellte. Anders Herz: Dieser übersetzte in seiner Inszenierung Wagners mythologische Konstrukte auf die einheitliche chronologische Ebene Preußens des 19. Jahrhunderts. Er erklärte: „Wir wollen einmal zeigen, daß dies kein germanisch-mythologisches Märchen ist, sondern eine kritische Auseinandersetzung des Komponisten mit seiner Zeit.“35Joachim Herz: Wagner und kein Ende, in: Theater der Zeit 38/6 (1983): 31–34, 32. Seine Inszenierung zeichnete das gespannte Verhältnis zwischen der alten Ordnung der preußischen Eliten und den neuen Industriekapitalisten des späten 19. Jahrhunderts nach, von ihren frühen Machtkämpfen (Wotan und Alberich) über ihre spätere symbiotische Beziehung (Gunter und Hagen) bis hin zu ihrem endgültigen Untergang. Sein zentrales Thema war die Unfähigkeit des Industriekapitalismus, echte soziale Reformen durchzuführen; trotz des Versagens der Aristokratie, das sich im Niedergang der Götter widerspiegelte, stellte der Industriekapitalismus keinen wirklichen Bruch mit dem preußischen Feudalismus dar.36Ausführliche Materialien und Diskussionen über die Inszenierung befinden sich in: Marion Reinisch und Eginhard Rohlig (Hg.): Joachim Herz inszeniert Richard Wagners Ring des Nibelungen am Opernhaus Leipzig. Arbeitsheft der Akademie der Künste 21, 29, Berlin 1975, 1980. Weitere Diskussionen befinden sich in: Marian Benz: Die Wagner-Inszenierungen von Joachim Herz. Studie zur theatralen Wagner-Rezeption in der DDR, Phil. Diss., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1998, 230–285; Patrick Carnegy: Wagner and the Art of the Theatre, New Haven 2006, 334–343; Nora Eckert: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001, 250–255; Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 85–88; Eckart Kröplin: Aufhaltsame Ankunft und ahnungsvoller Abschied. Der Ring in der DDR, in: wagnerspectrum 2/1 (2006), 63–110, 93–99; und Alexander K. Rothe: Staging the Past: Richard Wagner’s Ring Cycle in Divided Germany during the 1970s and 1980s, Phil. Diss., Columbia University, 2015, 71–129.

Joachim Herz: Rheingold-Inszenierung (Leipzig 1973). Schlussbild: die Götter überqueren den Regenbogen

Die historische Provenienz des Zyklus wurde für das Publikum durch das Bühnenbild und die Kostüme von Rudolf Heinrich, der auch früher schon an der Komischen Oper tätig war, sichtbar gemacht. Nibelheim und Walhalla waren klare Darstellungen der beiden Pole der Macht des 19. Jahrhunderts. Während Nibelheim als Gießerei dargestellt wurde, vereinte Walhalla Elemente verschiedener imperialer Gebäude des 19. Jahrhunderts wie das Palais de Justice in Brüssel und die Kaisertreppe des Burgtheaters in Wien. Der privilegierte, aber zunehmend anachronistische Status der Götter wurde durch ihre grauen und zerschlissenen kaiserlichen Gewänder gekennzeichnet. Alberich war in ölverschmierte Overalls gekleidet, und Heinrich modellierte die Kostüme der Giganten nach historischen Bildern von Arbeitern und Hafenarbeitern aus dem 19. Jahrhundert.

Joachim Herz: Rheingold-Inszenierung (Leipzig 1973)

Der historische Realismus durchzog alle Ebenen der Inszenierung, da Herz und Heinrich versuchten, der Tetralogie Logik und Glaubwürdigkeit zu verleihen, indem sie sowohl die Handlung als auch die Motivation der einzelnen Figuren aus dem historischen soziopolitischen Kontext des Werks erklärten. Sie interpretierten die Riesen beispielsweise als Sinnbild für die zunehmende Macht der Massen in der neu industrialisierten Welt des 19. Jahrhunderts. Dementsprechend stellten sie Fasolt und Fafner als Anführer von zwei großen Steinmetzgruppen dar. Sie betrachteten den Walküre-Felsen nicht als Natursymbol, sondern als Schlachtfeld. Der Bühnenboden war von einem See aus Blut und gefallenen Körpern bedeckt, während über der Walküre ein Kriegerdenkmal aus dem 19. Jahrhundert mit Adlerflügeln und aus billigem Gold hing, das die hohle Verherrlichung gefallener Helden durch die herrschenden Klassen darstellte.37Rudolf Heinrich, in: Marion Reinisch und Eginhard Rohlig (Hg.): Joachim Herz inszeniert Richard Wagners Ring des Nibelungen am Opernhaus Leipzig. Arbeitsheft der Akademie der Künste 21, Berlin 1975, 43, 62. Ein Ausschnitt der Walküre-Szene, der für das ostdeutsche Fernsehen aufgezeichnet wurde, ist derzeit hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=g4oxe9ToBgk&t=1s (29. 11. 2023 ). Eine vollständige Aufzeichnung der Inszenierung wurde nicht gemacht. Dieser theatralische Realismus sollte jedoch keine lückenlose Rekonstruktion des 19. Jahrhunderts bieten. Herz erklärte 1965 in einem Essay: „Man soll das Publikum am Träumen hindern und zum Denken provozieren“, und zu diesem Zweck durchzogen Brecht’sche Verfremdungseffekte die Inszenierung. Die Bühnenbeleuchtung war sichtbar und die Bühne oft unbedeckt. Sowohl der Drache als auch das Feuer, das Brünnhildes Felsen umgibt, wurden von den Tänzer:innen des Leipziger Balletts dargestellt, und es wurde häufig von Fotomontagen Gebrauch gemacht.

Joachim Herz: Walküre-Inszenierung (Leipzig 1974)

Wie beim fliegenden Holländer ortete Herz auch im Ring einen utopischen Impuls. Herz lehnte Lesarten des Ring als zyklisch und der Götterdämmerung als universelles Ende ab. Die Schlussszene markiere „das Ende einer Welt […], nicht das Ende der Welt“, so sein Argument. In den letzten Momenten der Götterdämmerung kamen die Chormitglieder in ihrer eigenen Kleidung auf die Bühne und sahen zu, wie die Glut von Walhalla durch einen schlichten weißen Vorhang ersetzt wurde. Herz bemerkte später: „Das Ende also kein Ende, sondern: tabula rasa, offen für einen Neubeginn, von dem die Violinen künden – auf daß die neue Welt besser sein möge als die alte. Das Prinzip Hoffnung.“38Joachim Herz: Unsere Leipziger Annäherung an Richard Wagner 1960–1990, in: Wagner weltweit. Die Zeitschrift des Richard Wagner Verband International 44 (September, 2005), 44.

Während Herz’ Rundgang durch die deutsche Geschichte Anklänge an den utopischen Gründungsmythos der DDR hatte, boten andere Regisseur:innen sozial engagierte Lesarten von Wagners Opern an, die zwiespältiger waren. Harry Kupfer etwa, ebenfalls ein Schüler Felsensteins, brachte 1977 mit seiner Parsifal-Inszenierung an der Deutschen Staatsoper eine ganz andere Art von Realismus auf die Bühne. Kupfer interessierte sich nicht für die historische Provenienz des Parsifal, sondern für seine gegenwärtigen Kontexte. Seine Inszenierung untersuchte die Schäden, die eine militarisierte, männliche und von Dogmen besessene Gesellschaft anrichtet. Er erklärte: „Der Keim der Zerstörung liegt in der Ordnung des Ordens selbst. Aus seiner von Anfang an vorhandenen elitären Haltung – die Gralsritter waren Auserwählte – wuchsen Intoleranz und Überheblichkeit […]. Der ursprüngliche Reinheitsgedanke wurde zur Zölibatsforderung, und gerade dieses Dogma eröffnete die Möglichkeit, daß der Orden anfällig wurde für Lüge, Unehrlichkeit und Heuchelei.“39Walter Rösler: Parsifal redivivus: Gespräch mit Harry Kupfer, in: Theater der Zeit 32/10 (1977), 49–51, 50. Für weitere Diskussion über die Inszenierung siehe Elaine Kelly: Art as Utopia: Parsifal and the East German Left, in: Opera Quarterly 30 (2014), 246–266.

Kupfers Ritter waren weit über den Punkt der Erlösung hinaus. Sie bildeten eine sterile Gesellschaft, die von Grausamkeit und Aggression beherrscht wurde, und die religiösen Zeremonien, die einst einen Sinn hatten, waren nun zu Kitsch verkommen und dienten nur noch dazu, die starren sozialen Trennungen zu markieren, die sich im Orden entwickelt hatten. Der Eingang des Tempels in Peter Sykoras Bühnenbild wurde von den Büsten zweier überdimensionaler Racheengel flankiert, deren hypermuskulöse Statur an die Skulpturen von Arno Breker aus der Nazi-Zeit erinnert. Der Gralstempel wurde von einem hoch aufragenden Kruzifix beherrscht, während die Ritter in vollem klerikalen Ornat gekleidet waren und sich je nach Ausschmückung ihrer Gewänder in hierarchische Gruppen aufteilten. Der daraus resultierende Eindruck wurde von einem Kritiker als „ein veritabler Aufmarsch wie zu einem vatikanischen Konzil“ beschrieben.40Manfred Schubert: Musikalisch glänzende Parsifal-Aufführung, in: Berliner Zeitung, 16. 7. 1977, 4. Die Fetischisierung der zeremoniellen Utensilien erinnerte aber auch an den Stellenwert, den die SED den Ritualen zuschrieb. Kupfer sah in der Gralsordnung keine Möglichkeit zur Veränderung. Parsifal stellte für Kupfer die Antithese zu den kämpferischen Gralsrittern dar. Für ihn war er „ein absolut ‚undeutscher‘, antiimperialer Held“.41In: Walter Rösler: Parsifal redivivus: Gespräch mit Harry Kupfer, in: Theater der Zeit 32/10 (1977), 49–51, 49. Doch seine Rückkehr nach Monsalvat konnte keine Wiederbelebung der Gralsgemeinschaft bewirken. In der Schlussszene verteidigte Parsifal Amfortas gegen den Angriff seiner Mitritter und erfüllte ihm seinen Todeswunsch. Dann hob Parsifal den Gral auf und verließ den Tempel, wobei er Kundry, Gurnemanz und einige Ausreißer-Ritter mitnahm. Dies deutet auf die Möglichkeit neuer Welten hin, aber ohne Einbeziehung der Gralsordnung. Die Inszenierung enthielt allerdings keine direkten Anspielungen auf die politische Lage der DDR und blieb bis nach der Wende im Repertoire der Staatsoper. Zu seiner Entscheidung, sie 1992 durch eine Neuinszenierung zu ersetzen, erklärte Kupfer jedoch, dass „die damaligen Gralsritterschaften […] inzwischen abgetreten“ seien.42Manfred Haendler: Parsifal 1977 und heute: Aus einem Gespräch mit dem Regisseur Harry Kupfer, in: Programmbuch für Parsifal, Dir. Harry Kupfer, Deutsche Staatsoper, 1992, 96.

Eckart Schwinger: Mythos musikalisch vermenschlicht. Harry Kupfer inszenierte in der Staatsoper "Parsifal", in: Neue Zeit Nr. 169 (19.7.1977), 4

Eine dritte Art der Wagner-Inszenierung, die auf Realismus verzichtete und Wagner ganz aus dem deutschen Kontext löste, präsentierte Ruth Berghaus 1979 in ihrer Inszenierung von Das Rheingold an der Deutschen Staatsoper. Berghaus, die vom Berliner Ensemble an die Staatsoper kam, wandte sich gegen die historische Konkretisierung, die die Rezeption des kulturellen Erbes in der DDR dominierte, und gegen die Tendenz, das sozialistische Denken auf den historischen Materialismus zu reduzieren. Zum Leipziger Ring von Herz bemerkte sie: „Eine materialistische Ring-Deutung ist aber noch keine marxistische, denn Marxismus umfasst außer dem Materialismus auch die Dialektik.“43Auswertung: Berghaus, Strandt, Bartels, Neef am 13. 12. 1979 für die geplante Sitzung des Beratenden Kollektivs des Intendanten am 17. 12. 1979, 5 f., Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Ruth-Berghaus-Archiv, 968/1. Sie betrachtete das Erbe nicht als Entwurf für eine sozialistische Zukunft, sondern als Mittel zur Betrachtung von Machtstrukturen, die keineswegs nur in der DDR herrschten. Um das Publikum zum Nachdenken über diese Strukturen anzuregen, hat sie die Widersprüche in Wagners Werken eher verschärft als aufgelöst. Sie dekontextualisierte seine Opern vollständig, indem sie sie in ein komplexes Netz von Ereignissen, Beziehungen, Zeichen und Gesten zerlegte, die ohne Erklärung präsentiert wurden. In Berghaus’ nach-brechtscher Dramatik lag die Last der Interpretation beim Publikum.

Wie Wieland Wagner verweist auch Berghaus auf die Zeitlosigkeit des Ring-Zyklus, dessen Interpretationen nicht auf „eine Kultur eines Jahrhunderts“ reduziert werden dürften.44[o. T.] [Kommentare zum Postproduktionsbericht in 968/1], 2, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Ruth-Berghaus-Archiv 968/2. Es ging ihr jedoch nicht darum, eine abstrakte, mythische Welt darzustellen. Sie betonte die soziale Verankerung des Zyklus und stellte mehrere historische Zeiträume auf der Bühne nebeneinander. Alberich zum Beispiel war ein urzeitlicher Jäger, der in Tierfelle gekleidet war, Fricka war ein klassischer Gott, Wotan war ein alternder Playboy des 20. Jahrhunderts mit langen Haaren, buntem Schal und Speer sowie freizügig entblößtem Fleisch, und die Riesen waren Hippies auf Stelzen mit Schlaghosen und Koteletten. Das Bühnenbild enthielt zwei Verweise auf das 19. Jahrhundert: eine Postkarte von Schloss Neuschwanstein von Ludwig II., die in der ersten und vierten Szene im hinteren Teil der Bühne hing, und einen Eisberg aus Plexiglas, der von Caspar David Friedrichs Das Eismeer inspiriert war und die gesamte Bühne beherrschte. Ansonsten gab es aber wenig, um die Szenerie historisch zu verankern. Der vordere Teil der Bühne wurde von einem vitrinenartigen Stapel von Plastikkisten dominiert, der als Goldschrank diente, und weitere szenische Anforderungen wurden durch den kreativen Einsatz von Tüll und Plastikmaterialien erfüllt. So dienten drei blaue Kunststoffplatten als Rhein, und der Regenbogen, der nach Walhalla führt, bestand aus vielen Metern farbigen Tülls, den Donner und Froh über den Plexiglas-Eisberg drapierten.45Mehr über die Produktion siehe Corinne Holtz: Ruth Berghaus. Ein Porträt, Hamburg 2005, 227–240; Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 183–190; und Johanna Yunker: Socialism and Feminism in East German Opera: The Cases of Director Ruth Berghaus and Composer Ruth Zechlin, Phil. Diss., Stanford University, 2012, 89–114.

Zu den Inkongruenzen des Bühnenbilds fügte Berghaus eine Reihe von Zeichen und Gesten hinzu, um die Themen Macht und Besitz hervorzuheben, oft mit komischem Effekt. Einige zeigten die Eitelkeit der Götter und die Leere der Macht auf. So führten die Götter verschiedene pseudo-heroische Körpergesten aus. Der Besitzer des Rings zeigte seine Macht an, indem er auf dem Plexiglas stand. Und die Postkarte von Neuschwanstein leuchtete auf, wenn das Walhalla-Motiv gespielt wurde. Andere Gesten wiesen auf die Unschuld derer hin, die eher von Liebe als von Macht angetrieben werden. Freia reagierte auf Loge, der in der zweiten Szene von Liebe sang, indem sie mit ihrem kugelförmigen Apfel der Jugend spielte. Fasolt hingegen, der hier eher als verliebter Verehrer denn als knallharter Industrieller dargestellt wurde, bastelte einen Blumenstrauß aus Papier und warf ihn Freia zu, um seine Liebe zu ihr zu zeigen. Eine wichtige Folge dieses humoristischen Ansatzes war die nivellierende Wirkung, die er auf die Charaktere hatte. Die Götter wurden von ihren heroischen Podesten gestürzt, während Fasolt und Alberich wohlwollend behandelt wurden.

Diese Ablehnung der positiven Heldenfigur, die im Sozialistischen Realismus so beliebt war, entsprach dem Ansatz, den Kupfer bei Parsifal verfolgte. Die zusätzliche Injektion von Leichtigkeit und einer Pop-Art-Ästhetik war jedoch zu viel für die nüchterne Kulturelite der DDR. Obwohl sich die Kritiker im Allgemeinen über die Inszenierung amüsierten, gab es durchweg Zweifel daran, ob Wagner nicht eine ehrfürchtigere Behandlung verdient hätte. Wagners Rolle im sozialistischen Kanon mag ungewiss gewesen sein, aber sein Status als heiliger deutscher Komponist blieb unantastbar. Berghaus’ Rheingold, ihre einzige Wagner-Inszenierung in der DDR, wurde nach nur vier Aufführungen aus dem Repertoire der Staatsoper gestrichen und der Rest ihrer geplanten Ring-Inszenierung abgesagt.46Es gab eine Reihe von Gründen, die zur Absage des Projekts beitrugen, darunter die Unzufriedenheit des Ministers für Kultur Hans-Joachim Hoffmann mit der Inszenierung, aber auch Spannungen zwischen Berghaus und dem Management der Staatsoper. Das Thema wird weiter erörtert in Corinne Holtz: Ruth Berghaus. Ein Porträt, Hamburg 2005; Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, und Johanna Yunker: Socialism and Feminism in East German Opera: The Cases of Director Ruth Berghaus and Composer Ruth Zechlin, Phil. Diss., Stanford University, 2012.

Ruth Berghaus: Rheingold-Inszenierung (1979). Szene mit Eberhard Büchner (Loge), Ute Trekel-Burckhardt (Fricka) und Siegfried Vogel (Wotan). Aus: Deutsche Staatsoper Berlin - informativ 3/1987, Berlin 1987, 6.

Wagner im Ausland

Das ideologische Ringen mit Wagner in der DDR war im internationalen Umgang spürbar abwesend. Die Regierung freute sich über die Vorteile, die der Ruf der DDR als Zentrum der Wagner-Rezeption in Form von internationalen Einnahmen und Anerkennung mit sich brachte. Die Nachfrage der Bayreuther Festspiele nach technischen Mitarbeitern, Orchesterspielern und Chormitgliedern aus ostdeutschen Opernhäusern brachte der DDR vor dem Mauerbau erhebliche Einnahmen,47Siehe die Entsprechung zum Thema zwischen der Akademie der Künste und der Regierung 1953, in: Stiftung Archiv der Akademie der Künste (Hg.): Zwischen Diskussion und Disziplin. Dokumente zur Geschichte der Akademie der Künste (Ost). 1945/50–1993, Berlin 1997, 74–76. ebenso wie regelmäßige Auftritte von Solisten wie Theo Adam in Bayreuth, die nach 1961 fortgesetzt wurden. Opernhäuser brachten ihre Inszenierungen ins Ausland – die Deutsche Staatsoper beispielsweise führte 1983 im Rahmen der Hundertjahrfeier des Komponisten sowohl Tannhäuser als auch Die Meistersinger im Pariser Théâtre des Champs-Élysées auf – und ostdeutsche Orchester nahmen auf ihren internationalen Tourneen regelmäßig Ouvertüren aus Wagners Opern in ihre Konzertprogramme auf.48Siehe z. B. die Bedeutung Wagners in den Konzertprogrammen ostdeutscher Orchester, die in den 1960er Jahren den Nahen Osten bereisten. Elaine Kelly: Performing Diplomatic Relations: Music and East German Foreign Policy in the Middle East During the Late 1960s, in: Journal of the American Musicological Society 72 (2019), 493–540, 517–519.

Es waren jedoch ostdeutsche Regisseur:innen, die die DDR als Ort innovativer Wagner-Rezeption erst richtig bekannt machten. Als der Geist von 1968 auf die Opernhäuser im Westen übergriff, fanden die von DDR-Regisseur:innen entwickelten sozialistischen Ansätze zu Wagner in der BRD und darüber hinaus Resonanz. Wolfgang Wagner wandte sich dem Realismus von Götz Friedrich und Harry Kupfer als Gegengift zum symbolischen Mystizismus zu, den sein Bruder Wieland in Bayreuth eingeführt hatte. Friedrich, der in der DDR keine Wagner-Inszenierung verantwortete, brachte 1972 eine umstrittene Tannhäuser-Inszenierung nach Bayreuth, bevor er im selben Jahr in die BRD übersiedelte, und Kupfer inszenierte 1978 Der fliegende Holländer und 1988 den Ring-Zyklus. Berghaus’ absurd-postbrechtscher Ansatz passte zur unsentimentalen Adorno-Ästhetik von Michael Gielens Team an der Oper Frankfurt. Sie inszenierte 1982 eine düstere Parsifal-Inszenierung und konnte dort 1985–1987 endlich einen Ring-Zyklus realisieren. Kupfer und Herz brachten Parsifal-Inszenierungen in Kopenhagen bzw. London auf die Bühne – Kupfer 1977 und Herz 1986 mit der English National Opera – und Berghaus inszenierte 1988 Tristan und Isolde in Hamburg.49Für einige Diskussion über solche Inszenierungen siehe Marian Benz: Die Wagner-Inszenierungen von Joachim Herz: Studie zur theatralen Wagner-Rezeption in der DDR, Phil. Diss., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1998, 163–197 (Tannhäuser); Patrick Carnegy: Wagner and the Art of the Theatre, New Haven 2006, 329–331 (Kupfers Bayreuther Die fliegender Holländer), 343–348 (Friedrichs Bayreuther Tannhäuser), 364–374 (Berghaus’ Frankfurter Ring und Parsifal); Corinne Holtz: Ruth Berghaus. Ein Porträt, Hamburg 2005, 245–256 (Ring-Inszernierung); Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 191–199 (Berghaus in Frankfurt); Elaine Kelly: Art as Utopia: Parsifal and the East German Left, in: Opera Quarterly 30 (2014), 246–266 (Parsifal-Inszenierungen von Berghaus, Herz, Friedrich, Kupfer, und Konwitschny); Sigrid Neef: Das Theater der Ruth Berghaus, Berlin 1989, 150–165 (Berghaus in Frankfurt); Alexander K. Rothe: Staging the Past: Richard Wagner’s Ring Cycle in Divided Germany during the 1970s and 1980s, Phil. Diss., Columbia University, 2015, 71–129, 221–284 (Berghaus’ Ring-Zyklus). Ironischerweise fand der Höhepunkt der Wagner-Rezeption der DDR – deren Erbe in den Inszenierungen von Achim Freyer und Peter Konwitschny noch immer nachweisbar ist – außerhalb des eigenen Staates statt.

 

Literatur

Benz, Marian: Die Wagner-Inszenierungen von Joachim Herz. Studie zur theatralen Wagner-Rezeption in der DDR, Phil. Diss., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1998

Calico, Joy H.: Wagner in East Germany: Joachim Herz’s Der fliegende Holländer (1964), in: Jeongwon Joe und Sander K. Gilman (Hg.): Wagner and Cinema, Bloomington 2010, 294–311

Carnegy, Patrick: Wagner and the Art of the Theatre, New Haven 2006

Duncker, Matthias: Richard-Wagner-Rezeption in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) (= Studien zur Zeitgeschichte 74), Hamburg 2009

Eckert, Nora: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001

Holtz, Corinne: Ruth Berghaus. Ein Porträt, Hamburg 2005

Kelly, Elaine: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014

Kelly, Elaine: Art as Utopia: Parsifal and the East German Left, in: Opera Quarterly 30 (2014), 246–266

Kröplin, Eckart: Aufhaltsame Ankunft und ahnungsvoller Abschied: Der Ring in der DDR, in: wagnerspectrum 2/1 (2006), 63–110.

Kupfer, Peter: Ehrt eure Deutschen Meister: Reproducing Wagner in the GDR, in: Kyle Frackman und Larson Powell (Hg.): Classical Music in the German Democratic Republic: Production and Reception, Rochester 2015, 75–96

Neef, Sigrid: Das Theater der Ruth Berghaus, Berlin 1989

Noeske, Nina: Wagner inszenieren in der DDR. Marginalien zu einem größeren Thema, in: Arne Stollberg, Ivana Rentsch und Anselm Gerhard (Hg.): Gefühlskraftwerke für Patrioten? Wagner und das Musiktheater zwischen Nationalismus und Globalisierung (= Thurnauer Schriften zum Musiktheater 26), Würzburg 2017, 227–244

Rothe, Alexander K.: Staging the Past: Richard Wagner’s Ring Cycle in Divided Germany during the 1970s and 1980s, Phil. Diss., Columbia University, 2015, 71–129

Reinisch, Marion und Eginhard Rohlig (Hg.): Joachim Herz inszeniert Richard Wagners Ring des Nibelungen am Opernhaus Leipzig. Arbeitsheft der Akademie der Künste 21, 29, Berlin 1975, 1980

Seiferth, Werner P.: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113

Yunker, Johanna: Socialism and Feminism in East German Opera: The Cases of Director Ruth Berghaus and Composer Ruth Zechlin, Phil. Diss., Stanford University, 2012

Anmerkungen

  1. Für Statistiken über Wagner-Aufführungen in der DDR siehe Peter Kupfer: Ehrt eure Deutschen Meister: Reproducing Wagner in the GDR, in: Kyle Frackman und Larson Powell (Hg.): Classical Music in the German Democratic Republic: Production and Reception, Rochester 2015, 75–96.
  2. Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 98.
  3. Vgl. George Bernard Shaw: The Perfect Wagnerite: A Commentary on the Nibelung’s Ring, London 1898; und Anatolii Lunacharsky: On Literature and Art, Moskau 1933, 340–354.
  4. Rechenschaftsbericht der Parteiorganisation der SED der Deutschen Staatsoper über die Periode März bis Dezember 1955, 2, Landesarchiv Berlin, C Rep. 904-093/1.
  5. Johannes R. Becher in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1954, 4.
  6. Willy Bodenstein in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1954, 8.
  7. Dieter Kranz: Festspielhaus oder sozialistisches Theater?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 16–20, 19.
  8. Willy Bodenstein: Richard Wagners erste revolutionäre Kunsttat, in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1953, 37.
  9. Über den Produktionsstil in Dessau siehe Nora Eckert: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001, 193–198; Eckart Kröplin: Aufhaltsame Ankunft und ahnungsvoller Abschied: Der Ring in der DDR, in: wagnerspectrum 2/1 (2006), 63–110, 76–80; und Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 96–101.
  10. Walther Siegmund-Schultze: Richard Wagners Musik in ihrer Bedeutung für unsere Zeit, in: Programmbuch Richard-Wagner-Festwochen 1955, zitiert in: Nora Eckert: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001, 194 f.
  11. Zur Staatsoper siehe Rechenschaftsbericht der Betriebsparteiorganisation der Deutschen Staatsoper 1956/57, 4, Landesarchiv Berlin, C Rep. 904-093/2.
  12. Dieter Kranz: Festspielhaus oder sozialistisches Theater?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 16–20, 17.
  13. Das Kolloquium, das am 22. April 1952 stattfand und den Titel Selbstverständigung zu künstlerischen Fragen trug, ging von einem Vortrag Eislers aus mit dem Titel: „Was kann der Opernkomponist von Richard Wagner lernen?“. Der Vortrag und die anschließende Diskussion sind veröffentlicht in: Günter Mayer (Hg.): Hanns Eisler: Musik und Politik. Schriften 1948–1962 (= Eisler GW III/2), Leipzig 1982, 240, 242.
  14. Wagner und kein Ende! Wagner – erst der Anfang!, in: Theater der Zeit 13/10 (1958), 36.
  15. Heinz Bär: Wahllose Wagnerei?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 20–22, Auszug wiederabgedruckt in Elimar Schubbe (Hg.): Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED [Bd. 1: 1946–1970], Stuttgart 1972, 529 f.; und Erika Wilde: Der mystische Gral deutscher Kunst: Lohengrin von Richard Wagner in der Staatsoper Berlin, in: Theater der Zeit 13/8 (1958), 34–37. Für eine Diskussion über die Lohengrin-Produktion und mehr über die Debatte siehe Jukka von Boehm: Lohengrin als Feindbild der ‚progressiven‘ sozialistischen Kunst, in: wagnerspectrum 10/1 (2014), 163–194. Siehe auch u. a. die Verf.: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 72–79; Peter Kupfer: Ehrt eure Deutschen Meister: Reproducing Wagner in the GDR: in Kyle Frackman und Larson Powell (Hg.): Classical Music in the German Democratic Republic: Production and Reception, Rochester 2015, 75–96, 81–82; Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 102 ff.
  16. Erika Wilde: Der mystische Gral deutscher Kunst. Lohengrin von Richard Wagner in der Staatsoper Berlin, in: Theater der Zeit 13/8 (1958), 34–37, 36.
  17. Heinz Bär: Wahllose Wagnerei?, in: Theater der Zeit 13/7 (1958), 20–22, 22.
  18. Ernst Krause: So Nicht!, in: Theater der Zeit 13/10 (1958), 37–39, 38.
  19. Eduard Plate: Wagner: Wunder, Wirklichkeitsentzogen. Eine Zuschrift aus Dresden, in: Theater der Zeit 13/12 (1958), 13 f., 14.
  20. Ernst Krause: So Nicht!, in: Theater der Zeit 13/10 (1958), 37–39, 38.
  21. G. Psylander: Einer der ‚vergaß‘ seine Anschrift exakt anzugeben, in: Theater der Zeit 13/10, 36 f., 36.
  22. A. Gerold: Ein Schmutzfink aus dem Hinterhalt, in: Theater der Zeit 13/11 (1958), 22.
  23. Herbert Kawan und Alfred Paul: Gespräch mit einem Komponisten. Aufgezeichnet nach einer Tonbandaufnahme, in: Theater der Zeit 13/12 (1958), 17.
  24. Paul Dessau: Musik der Gründerjahre. Ein Interview, in: Theater der Zeit 13/12 (1958), 19 f.
  25. Fritz Erpenbeck: Statt eines Schlußworts, in: Theater der Zeit 14/1 (1959), 13–16, 15.
  26. Eine Reihe weiterer Mitglieder wurde im Laufe der Zeit kooptiert. Die Protokolle der Ausschusssitzungen befinden sich in der Akte im Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Bestand: Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR, Nr. 589. Weitere Dokumente befinden sich in den Bundesarchiv-Akten DR 1/73 und DR 1/74 sowie in der Akte der Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) DY 30/85142.
  27. Hans Mayer: Richard Wagners geistige Entwicklung, in: Sinn und Form 5/3–4 (1953), 111–162, 21. Siehe auch Hans Mayer: Parsifal, Verklärung und Tod (1959), in ders.: Richard Wagner: Mitwelt und Nachwelt, Stuttgart 1978, 174. Was das Wagner-Komitee anbelangt, so war Mayer ein ausgesprochen ablehnendes Mitglied. Er schrieb 1962 an Harry Goldschmidt: „Ich habe gar nichts gegen ein offizielles Dokument in Sachen Wagner, möchte aber selbst so wenig wie möglich damit zu tun haben, weshalb mir auch der Gedanke, wieder einmal einem dieser Komitees angehören zu müssen, worin ich mit meinem Namen nur als Statist fungieren soll, während alberne kleine und ahnungslose Sekretäre alles festlegen, einiges Unbehagen bereitet. Ich wäre also gar nicht böse, wenn das Ministerium mich bei der Nominierung des Komitees überginge.“ Hans Mayer: Brief an Harry Goldschmidt vom 15. 3. 1962, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Bestand: Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler der DDR, Nr. 404.
  28. [Georg Knepler:] Zur Wagner-Ehrung 1963. Erklärung des Richard-Wagner-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik, in Deutscher Kulturbund (Hg.): Richard Wagner 1813–1883, Berlin 1963, 5–9, 6. Diese Interpretation wurde in Kneplers „Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts“ weiter ausgeführt. Siehe Georg Knepler: Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, Berlin 1961, 843–896.
  29. [Georg Knepler:] Zur Wagner-Ehrung 1963. Erklärung des Richard-Wagner-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik, in: Deutscher Kulturbund (Hg.): Richard Wagner 1813–1883, Berlin 1963, 5–9, 8.
  30. [Georg Knepler:] Zur Wagner-Ehrung 1963. Erklärung des Richard-Wagner-Komitees der Deutschen Demokratischen Republik, in: Deutscher Kulturbund (Hg.): Richard Wagner 1813–1883, Berlin 1963, 5–9, 8.
  31. Hans-Georg Uszkoreit: Brief an Kurt Bork vom 15. 2. 1963, Bundesarchiv, DR 1/74.
  32. Das Festival, das 1964 nicht stattfand, wurde 1965 ein letztes Mal mit nur einer einzigen Aufführung (des Ring-Zyklus) durchgeführt. Siehe Werner P. Seiferth: Wagner-Pflege in der DDR, in: Richard-Wagner-Blätter. Zeitschrift des Aktionskreises für das Werk Richard Wagners (Bayreuth) 13/3–4 (1989), 89–113, 101. Über die Verringerung der Zahl der Aufführungen siehe Peter Kupfer: Ehrt eure Deutschen Meister: Reproducing Wagner in the GDR, in: Kyle Frackman und Larson Powell (Hg.): Classical Music in the German Democratic Republic: Production and Reception, Rochester 2015, 75–96. Eine wichtige Auswirkung hatte auch der Bau der Berliner Mauer. Die Abwanderung westlicher Mitarbeiter danach machte es erforderlich, seine Werke aus der Spielzeit 1961/62 der Deutschen Staatsoper zu streichen. Siehe Rechenschaftsbericht der SED-Grundorganisation der Deutschen Staatsoper, 21. 5. 1962, Landesarchiv Berlin, C Rep. 904-093/3.
  33. Ernst Bloch: Geist der Utopie, München und Leipzig 1918, 141, 149.
  34. Zu den Horrorkonnotationen des Films siehe Joy H. Calico: Wagner in East Germany: Joachim Herz’s Der fliegende Holländer (1964), in: Jeongwon Joe und Sander K. Gilman (Hg.): Wagner and Cinema, Bloomington 2010, 294–311, und Lydia Goehr: Undoing the Discourse of Fate: The Case of Der fliegende Holländer, in: Opera Quarterly 21 (2005), 430–451, 448. Für weitere Diskussionen über den Film siehe Patrick Carnegy: Wagner and the Art of the Theatre, New Haven 2006, 323–329, und Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 84 f.
  35. Joachim Herz: Wagner und kein Ende, in: Theater der Zeit 38/6 (1983): 31–34, 32.
  36. Ausführliche Materialien und Diskussionen über die Inszenierung befinden sich in: Marion Reinisch und Eginhard Rohlig (Hg.): Joachim Herz inszeniert Richard Wagners Ring des Nibelungen am Opernhaus Leipzig. Arbeitsheft der Akademie der Künste 21, 29, Berlin 1975, 1980. Weitere Diskussionen befinden sich in: Marian Benz: Die Wagner-Inszenierungen von Joachim Herz. Studie zur theatralen Wagner-Rezeption in der DDR, Phil. Diss., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1998, 230–285; Patrick Carnegy: Wagner and the Art of the Theatre, New Haven 2006, 334–343; Nora Eckert: Der Ring des Nibelungen und seine Inszenierungen von 1876 bis 2001, Hamburg 2001, 250–255; Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 85–88; Eckart Kröplin: Aufhaltsame Ankunft und ahnungsvoller Abschied. Der Ring in der DDR, in: wagnerspectrum 2/1 (2006), 63–110, 93–99; und Alexander K. Rothe: Staging the Past: Richard Wagner’s Ring Cycle in Divided Germany during the 1970s and 1980s, Phil. Diss., Columbia University, 2015, 71–129.
  37. Rudolf Heinrich, in: Marion Reinisch und Eginhard Rohlig (Hg.): Joachim Herz inszeniert Richard Wagners Ring des Nibelungen am Opernhaus Leipzig. Arbeitsheft der Akademie der Künste 21, Berlin 1975, 43, 62. Ein Ausschnitt der Walküre-Szene, der für das ostdeutsche Fernsehen aufgezeichnet wurde, ist derzeit hier zu sehen: https://www.youtube.com/watch?v=g4oxe9ToBgk&t=1s (29. 11. 2023 ). Eine vollständige Aufzeichnung der Inszenierung wurde nicht gemacht.
  38. Joachim Herz: Unsere Leipziger Annäherung an Richard Wagner 1960–1990, in: Wagner weltweit. Die Zeitschrift des Richard Wagner Verband International 44 (September, 2005), 44.
  39. Walter Rösler: Parsifal redivivus: Gespräch mit Harry Kupfer, in: Theater der Zeit 32/10 (1977), 49–51, 50. Für weitere Diskussion über die Inszenierung siehe Elaine Kelly: Art as Utopia: Parsifal and the East German Left, in: Opera Quarterly 30 (2014), 246–266.
  40. Manfred Schubert: Musikalisch glänzende Parsifal-Aufführung, in: Berliner Zeitung, 16. 7. 1977, 4.
  41. In: Walter Rösler: Parsifal redivivus: Gespräch mit Harry Kupfer, in: Theater der Zeit 32/10 (1977), 49–51, 49.
  42. Manfred Haendler: Parsifal 1977 und heute: Aus einem Gespräch mit dem Regisseur Harry Kupfer, in: Programmbuch für Parsifal, Dir. Harry Kupfer, Deutsche Staatsoper, 1992, 96.
  43. Auswertung: Berghaus, Strandt, Bartels, Neef am 13. 12. 1979 für die geplante Sitzung des Beratenden Kollektivs des Intendanten am 17. 12. 1979, 5 f., Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Ruth-Berghaus-Archiv, 968/1.
  44. [o. T.] [Kommentare zum Postproduktionsbericht in 968/1], 2, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Ruth-Berghaus-Archiv 968/2.
  45. Mehr über die Produktion siehe Corinne Holtz: Ruth Berghaus. Ein Porträt, Hamburg 2005, 227–240; Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 183–190; und Johanna Yunker: Socialism and Feminism in East German Opera: The Cases of Director Ruth Berghaus and Composer Ruth Zechlin, Phil. Diss., Stanford University, 2012, 89–114.
  46. Es gab eine Reihe von Gründen, die zur Absage des Projekts beitrugen, darunter die Unzufriedenheit des Ministers für Kultur Hans-Joachim Hoffmann mit der Inszenierung, aber auch Spannungen zwischen Berghaus und dem Management der Staatsoper. Das Thema wird weiter erörtert in Corinne Holtz: Ruth Berghaus. Ein Porträt, Hamburg 2005; Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, und Johanna Yunker: Socialism and Feminism in East German Opera: The Cases of Director Ruth Berghaus and Composer Ruth Zechlin, Phil. Diss., Stanford University, 2012.
  47. Siehe die Entsprechung zum Thema zwischen der Akademie der Künste und der Regierung 1953, in: Stiftung Archiv der Akademie der Künste (Hg.): Zwischen Diskussion und Disziplin. Dokumente zur Geschichte der Akademie der Künste (Ost). 1945/50–1993, Berlin 1997, 74–76.
  48. Siehe z. B. die Bedeutung Wagners in den Konzertprogrammen ostdeutscher Orchester, die in den 1960er Jahren den Nahen Osten bereisten. Elaine Kelly: Performing Diplomatic Relations: Music and East German Foreign Policy in the Middle East During the Late 1960s, in: Journal of the American Musicological Society 72 (2019), 493–540, 517–519.
  49. Für einige Diskussion über solche Inszenierungen siehe Marian Benz: Die Wagner-Inszenierungen von Joachim Herz: Studie zur theatralen Wagner-Rezeption in der DDR, Phil. Diss., Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, 1998, 163–197 (Tannhäuser); Patrick Carnegy: Wagner and the Art of the Theatre, New Haven 2006, 329–331 (Kupfers Bayreuther Die fliegender Holländer), 343–348 (Friedrichs Bayreuther Tannhäuser), 364–374 (Berghaus’ Frankfurter Ring und Parsifal); Corinne Holtz: Ruth Berghaus. Ein Porträt, Hamburg 2005, 245–256 (Ring-Inszernierung); Elaine Kelly: Composing the Canon in the German Democratic Republic. Narratives of Nineteenth Century Music, New York 2014, 191–199 (Berghaus in Frankfurt); Elaine Kelly: Art as Utopia: Parsifal and the East German Left, in: Opera Quarterly 30 (2014), 246–266 (Parsifal-Inszenierungen von Berghaus, Herz, Friedrich, Kupfer, und Konwitschny); Sigrid Neef: Das Theater der Ruth Berghaus, Berlin 1989, 150–165 (Berghaus in Frankfurt); Alexander K. Rothe: Staging the Past: Richard Wagner’s Ring Cycle in Divided Germany during the 1970s and 1980s, Phil. Diss., Columbia University, 2015, 71–129, 221–284 (Berghaus’ Ring-Zyklus).

Autor:innen

Zitierempfehlung

Elaine Kelly, Artikel „Wagner-Rezeption“, in: Musikgeschichte Online, hg. von Lars Klingberg, Nina Noeske und Matthias Tischer, 2018ff. Stand vom 02.02.2024, online verfügbar unter https://mugo.hfmt-hamburg.de/de/topics/wagner-rezeption-folgt, zuletzt abgerufen am 26.04.2024.