Die Anderen Bands [Kurzfassung]

[Kurzfassung; vollständige Fassung in Arbeit]

Unter der Bezeichnung die Anderen Bands rangieren bis heute so unterschiedliche Formationen wie beispielsweise Freygang, Sandow, Schleim-Keim, die anderen, Feeling B, Die Firma, AG Geige oder Herbst in Peking – allesamt Bands, deren Musiker:innen sich zunächst jenseits vom etablierten Rockmusikbetrieb vor allem der 1980er Jahre in der DDR zusammenfinden, um alternative Wege der Produktion, Distribution und Rezeption von Musik zu versuchen. Im begrenzten und durchorganisierten Kulturraum der Republik erscheint das in diesem Zusammenhang großgeschriebene Andere der betrachteten Musikpraxis aus unterschiedlichen Perspektiven (Staat, Band, Publikum) wiederum als entgrenzt, spontan und unangepasst. Der musikalische Output reicht dabei von Bluesrock über Punk und New Wave bis hin zu experimentellen Elektroklängen, wobei die grundlegende Gemeinsamkeit bestimmt wird, durch eine weitestgehend eigenverantwortliche Selbstorganisation der Produktionszusammenhänge und darüber hinaus durch eine verstärkte Selbstermächtigung hinsichtlich der individuellen Lebensgestaltung. Die Antwort der Funktionäre auf diese, als Bedrohung empfundene Herausforderung des vermeintlichen staatlichen Kulturmonopols, fällt zunächst durchweg ablehnend aus („jugendgefährdend, negativ-dekadent, staatsfeindlich“) und erfolgt in Verbindung mit den bekannten Restriktionen und Repressalien durch die entsprechenden Kontrollinstanzen (Zensur durch Einstufungskommissionen, Auftrittsverbote, Zersetzungsmaßnahmen durch das MfS etc.). Dennoch entwickelt sich diese musikbasierte Alternative erfolgreich zu einer glaubwürdigen und akzeptierten Stimme, die landesweit Gehör findet (und zwar im Gegenzug zum parallel verlaufenden, tendenziellen Bedeutungsverlust vieler offiziell etablierter DDR-Bands). Die behördlichen Kontrollversuche führen hier zunehmend zu weiteren Kontrollverlusten – ein Feedback-Loop zwischen Staatsdoktrin, künstlerisch-subkultureller Praxis und Publikum, welcher (bei allem individuellen Leid) schließlich ein Erstarken der Szene begründet und musikalische Phänomene evoziert, die in dieser Form nur unter den spezifischen Bedingungen sozialistischer Kulturpolitik auftreten. Angesichts einer solchen, auch jenseits der Musik anwachsenden, zumeist jungen und kritischen Öffentlichkeit, werden dann auch von staatlicher Seite sehr verspätete Versuche unternommen, die Szene unter dem Label die Anderen Bands zu vereinnahmen, was sich beispielsweise in verschiedenen Amiga-Produktionen (1988: Kleeblatt/23/Die Anderen Bands u. a.) niederschlägt und die Bezeichnung selbst erst im allgemeinen Sprachgebrauch ankommen lässt. Der folgende Artikel versucht insbesondere diese begriffsgeschichtliche Bewegung, ausgehend von der eigentlichen Szene über die staatlichen Vereinnahmungsversuche bis hin zu einzelnen Perspektiven der späteren musikwissenschaftlichen Auseinandersetzung, greifbar zu machen, so dass der Ausdruck die Anderen Bands nicht mehr lediglich als lose Sammelbezeichnung erscheint, sondern als relevanter Begriff im Kontext von musikalischer, kulturpolitischer und musikwissenschaftlicher Praxis zum Tragen kommen kann.

Autor:innen

Die Anderen Bands [Kurzfassung]

    Zitierempfehlung

    Steffen Scholl, Artikel „Die Anderen Bands [Kurzfassung]“, in: Musikgeschichte Online, hg. von Lars Klingberg, Nina Noeske und Matthias Tischer, 2018ff. Stand vom 23.08.2023, online verfügbar unter https://mugo.hfmt-hamburg.de/de/topics/die-anderen-bands, zuletzt abgerufen am 29.04.2024.